Pfingstrose. Übersetzung Irina Bondas

weißt du noch die pfingstrose
korallenrot unbemerkt
bei jeder umdrehung
der gilbenden sonne
verblassend wie der verstand
der schleier über den adern nur
des nachts feuervogel
am grünen ufer steigt
ans träge blumenblut
wasser
sein gesang grell
rundförmige bemalung
an der oberfläche der vase
reicht nicht bis zum unteren rand
in einem jahr das blütenblatt
im öligen see des erinnerns
wir unter wasser
untief in ewigkeit

Continue reading →

Flüchtling. Übersetzung Irina Bondas

ein mann südasiatisches aussehen etwa dreißig jahre alt
körpergröße unter dem durchschnitt körperstatur sehr
schlank haare gerade schwarz dunkle haut kein bartwuchs
ovale gesichtsform mandelförmige schmale augen
irisfarbe schwarz die augen dunkel nase mittelgroß und
gerade volle lippen die oberlippe ohne besonderheiten
breiter mund große ohrmuscheln mit angewachsenen
ohrläppchen

nähert sich an der kreuzung mit düsterem blick bittet um
essen wir gehen zusammen in den supermarkt kaufe brot
bananen wasser bier lehnt der unbekannte ab sagt er sei
aus pakistan wolle asyl beantragen aber die zuständige
behörde hätte heute geschlossen übernachten will er auf
dem kleinen platz wo sie dealen und beten eines abends
hallte aus dem dunkeln des parks der ruf des muezzins
er war nichtig ohne einen namen und wusste nicht wozu
er geschaffen war

nein kleinste partikel schmutz sind wir getragen von orkanartigen wehen des allerhöchsten

er war es nicht mein bekannter der gestern mit einem
lastwagen in die menge fuhr menschen mit ihren kindern
inmitten von schokoäpfeln lebkuchenhäuschen und
glasengeln

berlin , 20.12.2016

Continue reading →

äquinoktium. Übersetzung Irina Bondas

dieses luftbeben über kies zum kreischen des abfahrenden
zuges gesellt sich zikadenwechselgesang der zug selbst
eine große zikade die kuh antwortet der lokpfeife
wie ist doch das wort wein rose hopfen kranz perlen
faden
stoff glimmender stimmblätter diese betrachterin
dank der wir uns im schein der goldenen flamme spiegeln

Continue reading →

Moskau. Übersetzung Irina Bondas

pro fünfeckigem tag mal eine quadratelle viertausend
siebenhundert siebzig komma acht zwei stadtbewohner
ihre möglichkeiten sind beschränkt geriffelte platten
sagen geh steh zum blinden der windzüge sattelt unterwegs
zum zentrum des labyrinths ariadne wirft den
garn und probiert die gestirnskrone vor dem schwarzen
spiegel an ein sonnengegerbter mensch in orangener
weste legt ein ornament aus taktilen platten so
webte seine großmutter mit einer hakenartigen nadel
teppiche die inseitigen knoten schnürend phönix und
das fliegende herz die gazelle der geliebte wird finden
mich an den linien des musters
regen wäscht geriffeltes pflaster es verrät dem blinden
nicht wohin und wie ewig irrend durch das labyrinth tadschikischer
rosen

Continue reading →

Semenowka. Übersetzung Irina Bondas

im morgengrauen knattern die gewehre gleich elstern
zweigstümpfe gelöcherter kirschbäume
salutieren dem camouflierten gestirn
halden baden im nebel der schmale fuß
kleopatras taucht in kamelmilch die wanne geschultert
von nubiern hier sind selbst pyramiden schwarz
das wesen der waffe ist tilgungsverklärung
enthüllungen der armatur korrosion
im beton zentimetertief dieselbe legierung
gitter über schmalen fenstern der psychiatrischen anstalt
in semjonowka rückten später russen ein
und tränen eingesperrter verrückter
vergossen in die explosionsschmelze
aus aluminium was kümmert dich die trägheit
der sonne schwarz leuchtend vor koks
strahlen auf ruinen sowjetischer bauwerke
serapis’ kuss spur des barbarenstiefels ist nichts
als ein merkmal der klassik sieh nur wie unser zwanzigstes
jahrhundert die neue antike einzig der freiheit
ein ende setzen müsste es dem schmerz erst quälend
dann in den körper dringend wie ein messer in butter
fahre damit im kahn über den verschneiten nil
genieße gerüche versengter haut unter glühendem eisen
für die brandmarkung der sklaven

Continue reading →

Osteuropa. Übersetzung Irina Bondas

in flugzeugen und im traum
dreihundert meter in einem
atemzug des passagiers
nicht mehr als wind
ein weitäugiger jugendlicher
übernachtet in hostels
bezüge vollgesogen vom körper
wie der autor vom sprechen
das laken als flächenmarkierung oder
kadaver des festlands da
die falte osteuropas
nichts intimer als grenzen
unsere beziehungen sind oberflächig
das gegenseitige vermessen von grundfläche
von qm haut auf der karte der check-ins
durch punktlinien gekennzeichnet
vogelspuren
korfu odessa kiew
tallin berlin abendrot
kriecht hoch am bein
landet und hört
wie schlief es sich euer hoheit?

Continue reading →

Оля

оля любое слово дается раз
далее держит на вытянутой данная плоть
голосовое воспринимает глаз
брошенный образ больше не уколоть

кругом идет нечисти голова
но проступает краска из черноты
люди любимые верные как слова
все что во мне человеческое
это ты

Continue reading →

не отворачивайся

не отварачивайся, прошу, улыбнись!
не останавливайся, ускорь шаги.
на повороте вправо – вперед и вниз.
переведи дыхание и беги.

при разговоре не отводи глаза.
на перекрестке не обращайся вспять.
голос запомни, услышишь – последуй за,
ноги находят сами куда ступать.

будь сама собою, так натурально вор
прячет в карман украденное на ходу,
ширя улыбку, не опуская взор.
времени мало. вперед. я жду.

Continue reading →

Жизнь это остановка

Н.М.

жизнь это остановка
в блещущей кутерьме
есть у меня винтовка
и сапоги в дерьме

жизнь – тягучая повесть
сваренная горячо
не за страх, не за совесть
за золотой крючок

поговорил – послушай
приотворил – молчу
тихо шагают души
сдвинув плечо к плечу

Continue reading →

… ни начала ни конца

ни начала ни конца
ни названья ни лица
ни двери и ни окна
ни поверхности ни дна

только блеск огня в огне
только плеск волны в волне

только линии узора
отголоски разговора
на цыганском языке
только блики вдалеке

Continue reading →